Von Katharina Wittenberg
Heutzutage einen Brief zugeschickt zu bekommen, ist sehr selten geworden. Es ist schleichend aus der Mode gekommen. Auch deshalb freue ich mich immer über persönliche Postkarten und Briefe, die sich leider recht selten zwischen ungeliebten Rechnungen und Postwurfsendungen befinden. Aber wenn man älter wird, dann kommt es früher oder später vor, dass man dann und wann einen Brief erhält, der in der Hauptsache keinen freudigen Anlass mit sich trägt.
Es war nicht die erste Todesanzeige, die ich bisher in meinem Leben erhalten hatte, und sie machte mich nachdenklich. Der ein oder andere mag es als makaber empfinden, aber bei dieser Nachricht musste ich mich allen Ernstes fragen: Muss ich zu dieser Beerdigung erscheinen? Wie nahe muss man jemandem stehen, um einer Beisetzung beizuwohnen oder fernbleiben zu dürfen? Bin ich dazu verpflichtet, oder ist eine Beerdigung nicht doch eher eine freiwillige Veranstaltung – außer für den Verstorbenen? Wäre mein Nicht-Erscheinen unverzeihlich? Und was hält mich eigentlich davon ab, teilzunehmen?
In solchen besonderen Momenten, wie bei einem Trauerfall, tauchen oft Fragen auf, die uns über unser Verhältnis zur verstorbenen Person nachdenken lassen: Was verbindet uns mit dieser Person? Welche gemeinsame Geschichte teilten wir? Welche Wunden oder Konflikte haben möglicherweise in der Beziehung bestanden?
Solche Gedanken führen uns häufig näher an die Themen Verzeihen und Vergeben – zwei Prozesse, die nicht nur mit anderen zu tun haben, sondern vor allem mit uns selbst – mit unseren eigenen Bedürfnisse und Grenzen und vielleicht mit Entscheidungen, die wir getroffen haben oder noch treffen wollen. Und sie führen manch einen an den Punkt, wo er sich fragt: Kann man anderen vergeben und gleichzeitig seine eigenen Grenzen bewahren? Was bedeuten diese Begriffe eigentlich genau? Und wie helfen sie uns, mit der Vergangenheit abzuschließen, ohne unsere Grenzen aus den Augen zu verlieren?
Wenn wir die Entscheidung treffen eine Verletzung, eine Enttäuschung oder einen Konflikt loszulassen, dann ist dies Verzeihen ein bewusster Akt: Wir entscheiden uns, loszulassen und die Sache ist vom Tisch. Wir ziehen unseren Vorwurf zurück, auch wenn es noch nicht bei uns im Herzen fühlbar ist. Man kann also verzeihen ohne wirklich zu vergeben.
Vergeben geht tiefer. Es ist ein Prozess, der unsere Emotionen, Gedanken und unser Herz gleichermaßen betrifft. Vergebung bedeutet, eine Verletzung vollständig loszulassen, ohne Groll oder Feindseligkeit zurückzubehalten. Und auch wenn die Vergebung den Beschuldigten von seiner Schuld freispricht, ist doch eines wichtig – und hier liegt der Kniff im Detail: Vergebung kann zum Vergessen führen, muss aber nicht. Man kann auch vergeben ohne zu vergessen.
Vergebung macht die Vergangenheit nicht ungeschehen; sie wird immer ein Teil unseres Lebens bleiben – die eigene Geschichte, die durchgemachte Beziehung, Erinnerungen des eigenen Erlebens – und sie prägt uns und trägt dazu bei, dass wir zu der Person werden, die wir heute sind.
Darum sollten wir uns fragen, wenn wir vergeben, ob wir auch vergessen wollen – auch wenn das Nicht-Vergessen oft einen schlechten Ruf hat; zu Unrecht, wie ich finde. Denn es erfüllt eine wichtige Funktion: Es schützt uns.
Das Erinnern an Verletzungen, Geschehenes und Vergangenes hilft uns, Grenzen zu ziehen und uns vor erneutem Schaden zu bewahren, wenn klar ist, dass sich die Dynamik oder das Verhalten des anderen nicht ändern wird. Es kann sogar ein Zeichen von Selbstrespekt sein, bewusst nicht zu vergessen und Verantwortung für unsere Grenzen zu übernehmen.
Gerade bei wiederholten Verletzungen ist es entscheidend, Grenzen zu setzen.
Wenn wir sehen, dass sich trotz aller Chancen, Erklärungen und Gelegenheiten das Verhalten nicht ändert, sind wir in aller Selbstbestimmtheit dazu aufgefordert, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen.
Grenzen sind kein Zeichen von Schwäche – sie sind ein Ausdruck von Stärke und Selbstfürsorge, und tragen im erheblichen Maß zu unserer inneren Ruhe und Zufriedenheit bei.
Verzeihen und vergeben sind keine einfachen Prozesse. Aber sie bieten eine große Chance: die Möglichkeit, emotionalen Ballast loszuwerden und gestärkt nach vorne zu blicken.
Es gibt Situationen, in denen das Vergeben, Verzeihen, das Setzen von Grenzen oder das Lösen von Konflikten allein nicht gelingt. In solchen Momenten kann Unterstützung von außen hilfreich sein.
Ich begleite dich wertschätzend, klar und allparteilich bei Familienmediation, Mediation von Geschwister- und Generationskonflikten, Mediation bei Trauerfällen oder unterstützte dich persönlich, auch in Form von Paararbeit.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie ich dich in deiner Situation unterstützen kann, dann schau dich gern weiter auf meiner Webseite um.
Katharina Wittenberg
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