Von Katharina Wittenberg
Stell dir diese Szene vor: Du bist im Streit in der Beziehung mit deinem Partner, einer Freundin oder einem Kollegen. Die Stimme wird lauter. Die Worte schneller. Dein Körper erreicht Betriebstemperatur. Dein Atem wird flacher, dein Herz pocht laut und deutlich. Und plötzlich passiert etwas in diesem Moment: Du hörst auf wirklich zuzuhören und stattdessen setzt ein innerer Automatismus ein, der dich entweder dazu bringt dir laut Luft zu machen, wie eingefroren stillzuhalten oder dich zurückzuziehen und den Raum zu verlassen.
Diese Momente in Konflikten können sich anfühlen, als hätten wir jegliche Kontrolle über unser Verhalten verloren. Vielleicht hast du dich schon gefragt: Warum reagiere ich eigentlich so, wenn ich in einen Streit gerate? Ist es der Drang zu kämpfen? Oder ist es die Angst, nicht gehört zu werden, die mich in die Flucht treibt? Oder habe ich einfach keine Worte, weil ich innerlich wie erstarrt bin? – Ja, warum reagieren wir in Konflikten eigentlich so?
Konflikte rufen unsere „eingebaute Alarmanlage“ auf den Plan: Tatsächlich aktiviert unser Gehirn in stressigen Situationen oder in emotional überfordernden Momenten alte, tief verwurzelte Reflexe. Wenn unser Gehirn in den Überlebensmodus schaltet, greift unser Unbewusstes nach alten Mustern, um mit der Situation umzugehen. Es ist nicht der Konflikt selbst, der uns in diesem Moment überwältigt.
Wenn Konflikte auf diese Art eskalieren, verwandeln sich manche von uns in einen Löwen: Wir brüllen, schlagen mit Worten um uns und versuchen die Kontrolle mit unserer Dominanz zu gewinnen. Andere werden zu Vögeln: Sie fliegen schnell davon – weg von dem Sturm, der Diskussion, dem Schmerz. Und manch anderer erstarrt wie eine Antilope, die sich bei einem Angriff von einem Raubtier totstellt – regungslos, unfähig zu sprechen oder zu handeln. Was bleibt, wenn die Worte gesprochen wurden? Was passiert mit dem ungelösten Konflikt? Wie wirkt das regungslose Schweigen auf den anderen, auf den Konflikt?
Die Herausforderungen, die wir heute erleben, sind selten lebensbedrohlich – aber sie können genauso intensiv wahrgenommen werden. Ein erhobener Ton, ein missverstandenes Wort oder eine hitzige Diskussion, ja selbst eine hochgezogene Augenbraue kann unsere innere Alarmanlage anspringen lassen. Solche und andere Situationen können genauso intensiv auf uns wirken wie eine tatsächliche akute Gefahr. Unser Gehirn unterscheidet da nicht zwischen körperlicher und emotionaler Bedrohung. Doch obwohl unsere Reflexe uns in der Vergangenheit vor Gefahren geschützt haben mögen, führen sie in zwischenmenschlichen Konflikten selten zu einer Lösung: Ein Konflikt ist nicht durch Angriff gelöst. Und wenn wir uns einfach zurückziehen, bleibt der Konflikt ebenfalls bestehen und kann sogar in stärkerer Ausprägung wiederkommen. Auch Erstarrung bringt uns nicht weiter – sie verhindert, dass wir in den nötigen Austausch kommen.
In unseren heutigen Beziehungen können diese Reflexe und Muster uns oft mehr schaden als helfen. Warum? Weil sie uns voneinander entfernen, anstatt uns einander näherzubringen.
Und was bedeutet das für dich? Hast du dich schon einmal gefragt, warum du dich in Konfliktsituationen so verhältst, wie du es tust?
Die Erkenntnis, dass wir in Konflikten oft nach alten, instinktiven Reflexen handeln, kann befreien. Sie eröffnet die Möglichkeit, bewusstere, konstruktivere Wege zu finden, Konflikte zu lösen. Während unser Instinkt uns in den Überlebensmodus schaltet, besitzen wir dennoch die Fähigkeit, innezuhalten, zu reflektieren und anders zu reagieren. Es ist nicht immer leicht. Es verlangt Mut, Verletzlichkeit und den Willen, immer wieder alte Muster hinter sich zu lassen.
Konflikte sind ein Ausdruck unserer Beziehungen. Sie sprechen mit uns und zeigen auf, was uns verbindet und was uns voneinander trennt. Sie laden uns dazu ein, hinzusehen – und aneinander und miteinander zu lernen und zu wachsen. Denn jeder Konflikt bietet uns die Gelegenheit die Beziehung zu vertiefen. Konfliktreflexe können wir nicht bewusst steuern. Sie sind da. Aber unter anderem mit Aufmerksamkeit, Bewusstheit und Übung können wir ihnen begegnen. Wir können dann erkennen, ob diese Reaktion, die gerade als Reflex in uns auftaucht und vorgeschlagen wird, im Hier und Jetzt gerade wirklich angemessen und notwendig ist. Oder ob vielleicht nicht doch ein anderes Verhalten konstruktiver wäre. Wir können üben und lernen uns anders zu entscheiden.
Und manchmal brauchen wir Unterstützung – einen neutralen Raum, in dem Löwen, Vögel und Antilopen gemeinsam einen neuen Weg finden können.
Hast du dich in einem Konflikttyp wiedergefunden? Dann probiere doch mal bewusst eine neue Reaktion aus und traue dich ruhig zu experimentieren. Konfliktklärung kann eine wirkliche Herausforderung sein. Ist der Konflikt aber erst einmal beruhigt, dann ist die Konfliktlösung meist auch nicht mehr weit.
Bis zum nächsten Mal in meinem Blog ‚Gedanken mit Kraft und Herz‘ – achtsam, neugierig und mit einem Schritt mehr zu dir selbst!
Katharina Wittenberg
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